Sabbatical: Interview mit dem Weltumsegler-Paar Evi Strahser und Wolfgang Wirtl

Die Wiener Evi Strahser und Wolfgang Wirtl waren mit ihrem Katamaran “Sleipnir2” auf einer dreijährigen Weltumsegelung.

strahser wirtl


Frau Strahser, Herr Wirtl, Sie haben das gewagt, wovon viele nur träumen: eine Weltumsegelung. Was hat Sie gemeinsam zu diesem Abenteuer bewogen? Gab es ein ausschlaggebendes Erlebnis?

Wir sind beide immer schon sehr reiselustig gewesen und haben bereits, bevor wir einander kennengelernt haben, weite Reisen in entfernte Gebiete unternommen. Gemeinsam haben wir dann mit dem Rucksack einige exotische Länder bereist. Was uns außerdem verbindet, ist die Liebe zum Meer und zum Leben auf dem Wasser.

Eigentlich gab es kein ausschlaggebendes Erlebnis, an dem der Entschluss zu unserer Weltumsegelung gefasst wurde, es war eher ein langsamer Prozess.

Als Lehrer hat man die Möglichkeit eines Sabbatical-Jahres und diese Auszeit wollten wir uns beide einmal gönnen, um zu reisen – in welcher Form wussten wir anfangs allerdings noch nicht. Wir haben mit Freunden immer wieder Segelboote für ein bis zwei Wochen gechartert, was uns schlussendlich auf die Idee brachte, dass man mit dem eigenen Schiff eine längere Reise unternehmen könnte.

2001 haben wir unseren Katamaran „Sleipnir2“ in England gekauft und sind 2002 zu einer einjährigen Segelreise in die Karibik und wieder zurück, einer sogenannten Atlantikrunde, gestartet. Bereits vor Abschluss dieser Reise stand der Entschluss fest, wieder aufbrechen zu wollen, beim nächsten Mal allerdings für eine längere Zeit.

Wie lange hat die Zeitspanne von Ihrem definitiven Entschluss bis zum Antritt der Reise gedauert?

Im Sommer 2003 sind wir von unserer ersten Segelreise zurückgekommen. Es stand sofort fest, dass wir einen Zeitraum von vier Jahren benötigen, um entsprechend Geld zu verdienen und den Kat nach den erworbenen Erfahrungen ein wenig umzurüsten.

Sie waren ziemlich genau drei Jahre unterwegs. Wie lässt sich eine solche doch lange Auszeit mit dem Beruf vereinbaren?

Da wir beide AHS-Lehrer sind, war es möglich, ein Sabbatical-Jahr und danach zwei unbezahlte Freijahre – in denen wir weder krankenversichert waren, noch ein Gehalt bezogen haben – zu nehmen.

Wir haben beim Sabbatical-Jahr die Dreijahres-Variante gewählt – das heißt, wir haben zwei Jahre vor Antritt der Reise voll gearbeitet, aber nur 66% verdient, dafür haben wir im ersten Jahr unserer Weltumsegelung ebenfalls 66% Gehalt bekommen und waren auch krankenversichert.

Unsere Arbeitsplätze an den jeweiligen Schulen waren Gott sei Dank gesichert, mit unseren Direktoren gab es vor Reiseantritt ausführliche Gespräche.

Und in dieser Zeit den Kontakt aufrecht erhalten mit den Menschen und der Familie zu Hause, war sicher auch nicht ganz einfach? Wie haben Sie das geschafft?

Wir hatten an Bord eine Kurzwellenanlage mit Pactor, eine Art Modem, wodurch wir Emails empfangen und verschicken konnten, außerdem haben wir damit auch Wetterinformationen bekommen. Die Amateurfunklizenz hat uns diesbezüglich ein breites Spektrum an Möglichkeiten geboten. Internet hatten wir an Bord allerdings nicht.

An manchen Ankerplätzen gibt es mittlerweile Internetzugang über WLAN, was sehr praktisch ist, da man im Cockpit sitzend surfen kann, ohne sein Schiff verlassen zu müssen.

An solchen Orten konnten wir unserer Familie und unseren Freunden ausgiebig mailen und manchmal – wenn der Empfang gut war – sogar skypen. Wir haben uns dafür eine sehr starke externe Antenne zugelegt. Hier war es uns auch möglich, unserem Webmaster Fotos, etc. zu schicken, um unsere Website upzudaten. Durch die Website haben wir die Reise ausführlich dokumentiert und hatten zeitweise mehr als 200 Besucher täglich. Außerdem haben wir des Öfteren auch Internetcafés besucht und in manchen Ländern, in denen wir uns länger aufhielten, SIM-Karten für unsere Handys gekauft.

Gab es vor Reiseantritt Ängste, Befürchtungen, die sich als berechtigt herausgestellt haben – sei es jetzt die Reise selbst betreffend, als auch die Ereignisse zu Hause während Ihrer Abwesenheit?

Nach den Erfahrungen unserer Atlantikrunde hatten wir eine sehr realistische Einschätzung hinsichtlich dieses Abenteuers und haben unseren 3-jährigen Ausstieg akribisch vorbereitet.

Leider gab es während unserer Abwesenheit unerwartete Todesfälle innerhalb der Familie und des engsten Bekanntenkreises.

Vereinzelt haben uns Menschen, die wir als absolut verlässlich und loyal eingeschätzt hatten, völlig überraschend enttäuscht und unsere Abwesenheit genutzt, um uns zu hintergehen.

Eine Weltreise über einen solchen Zeitraum ist ja auch mit erheblichen Kosten verbunden. Wie finanziert man sich so eine Weltreise? Konnten Sie von Ihrem Vorhaben auch Sponsoren überzeugen?

Nachdem wir kinderlos und frei von Schulden sind, konnten wir die notwendigen Beträge ansparen.

Wir haben viele Jahre eisern gespart, haben uns keine Urlaube gegönnt, sind nicht essen gegangen, haben keine neue Kleidung etc. gekauft. Wenn man ein solches Ziel vor Augen hat, fällt das Sparen darauf eigentlich nicht so schwer.

Um Sponsoren haben wir uns nie bemüht, weil wir nicht die notwendige Zeit und Energie dafür aufbringen konnten.

Dafür bemühen wir uns jetzt, für unsere ab Herbst geplante Multivisionsshow Unterstützung zu finden.

Lässt sich für so ein Vorhaben eine realistische Kosteneinschätzung machen?

Eine solide Kosteneinschätzung plus 50% Aufschlag gibt in der Regel die richtige Größenordnung.

Welche Erfahrungen und Erlebnisse während dieser Weltumsegelung zählen zu Ihren schönsten und wertvollsten?

Dazu zählen

  • grundsätzlich die Begegnungen mit so vielen unterschiedlichen, interessanten Menschen
  • die San Blas Inseln mit den einzigartigen Kuna-Indianern
  • die Unterwasserwelt der Los Roques (Venezuela) und der Tuamotus (Französisch Polynesien)
  • die endemische Flora und Fauna der Galapagos Inseln (Equador)
  • unsere Hochzeit barfuß am Strand von Malolo Lailai / Fidschi-Inseln
  • die „Land Divers“ in Pentecost / Vanuatu
  • nahezu jungsteinzeitliche Kulturen in den Banks Inseln und später in Papua Neuguinea
  • das Kulturfestival in Mount Hagen / Highlands von PNG mit 160 verschiedenen Stämmen
  • die Flussfahrt durch den Regenwald von Borneo (Indonesien) mit freilebenden Orang Utans, Nasenaffen und Gibbons

Und zu den weniger schönen?

  • Die Zitterfahrt mit dem nach einer Baumstammkollision leckgeschlagenen Katamaran: 1100 Seemeilen von den Galapagos auf die Marquesas Inseln (nach Fatu Hiva)
  • Evis schwere Verletzung an der rechten Hand durch eine runterfallende Backskiste zwei Tagesreisen vor den Komodo Inseln
  • Wolfgangs fast-über-Bord-Gehen in der Straße von Malakka
  • der Konvoi durch das Piratengebiet im Golf von Aden

Viele gewohnte Annehmlichkeiten, aber auch die medizinische Versorgung, sind bei so einer Weltumsegelung wohl nicht immer gegeben. Hatten Sie in dieser Hinsicht Probleme?

Wenn man eine Weltumsegelung antritt, verzichtet man bewusst auf die zur Selbstverständlichkeit gewordenen Annehmlichkeiten des Alltags. Gerade darum geht es vielleicht auch sich zu vergegenwärtigen, in welchem Luxus wir – unter Aufgabe unserer Freiheit – leben.

Unsere medizinische Versorgung war dank der Unterstützung vieler befreundeter Ärzte, die Medikamente für uns sammelten, exzellent. Darüber hinaus hat Evi einen „Medizin an Bord”-Kurs noch in Wien besucht, und wir wurden von Freunden in die verschiedensten Techniken der Wundversorgung eingeführt.

Wir hatten während der Reise immer wieder Verletzungen und Erkrankungen, die wir zum größten Teil selbst behandeln konnten/mussten. Im schwersten Fall eine Handverletzung Evis, deren Auswirkungen leider bis heute sichtbar sind.

Glücklicherweise konnten wir in Papua und Vanuatu in einigen entlegenen Dörfern grundlegende medizinische Versorgung gewährleisten.

Welche Auswirkungen hat Ihr Abenteuer auf Ihre heutige Arbeit, auf Ihr heutiges Leben?

Zunächst sind wir ruhiger und abgeklärter geworden, haben enorm viel Selbstvertrauen in uns und unsere Fähigkeiten bekommen und müssen uns daher weniger selbst beweisen. Der Zeitfaktor wird nicht mehr zum Stressfaktor, wir gehen an die meisten Dinge des Lebens deutlich entspannter heran – dies betrifft natürlich auch unsere eigentliche Arbeit als Lehrer.

Können Sie auch Ihren Schülern davon etwas weitergeben?

Wir konzentrieren uns in unserer Unterrichtsarbeit weitgehend auf unsere jeweiligen Fächer und trennen grundsätzlich Privates von Beruflichem. Mit unseren Schülern sprechen wir daher über unsere außerschulischen Aktivitäten wenig. Dennoch wissen die meisten unserer Schüler über die Reise Bescheid.

Die Rückkehr von einsamen oder dünn besiedelten Inseln, von der Zweisamkeit auf Ihrem Katamaran in eine größere Stadt wie Wien mit all ihren Infrastrukturen – wie war das für Sie? Eine Art „Schock” oder verbunden mit großer Freude und Zufriedenheit?

Dazu ein Zitat aus unserem in Arbeit befindlichen Buch:

„Waschmaschine, Geschirrspüler, Mikrowellenherd, fließendes (warmes) Wasser oder Toilettenspülung auf Knopfdruck erleben wir angenehm, fast als dekadenten Luxus, aber das Leben auf dem Wasser im Einklang mit der Natur lässt die ‚Enge’ der Stadt deutlicher spüren, und so ist die Wahrnehmung unseres Umfeldes nicht mehr die gleiche.

Versicherungen und Banken scheinen verstärkt mit subtiler Indoktrination von Furchtszenarien das Leben vieler Menschen zu steuern und weitgehend auf die Pension ausrichten zu wollen – das Hier und Jetzt gerät allzuleicht in den Hintergrund. Wir hoffen, uns davon möglichst abschirmen zu können und, dass wir mehr Träume haben, als uns die Realität nehmen kann.”

Der Wiedereinstieg ins Berufsleben stellt manche Aussteiger vor eine große Herausforderung, u.a. weil sie das straffe Zeitkorsett eines Arbeitsalltags nicht mehr gewohnt sind. Wie war für Sie der Wiedereinstieg?

Beim Wiedereinstieg in die Arbeitswelt des Schulalltages haben wir die gewohnte Routine vermisst, wir haben umständlich, ineffizient gearbeitet, und die für den Beruf so wichtige Eloquenz und Schlagfertigkeit war ein wenig eingerostet.

Wir waren aber offengestanden sehr froh, in die Sicherheit unserer alten Berufe zurückkehren zu können. Das treffend formulierte enge Zeitkorsett und der frühmorgendliche tägliche Wecker sind für uns eine enorme Umstellung, ebenso wie das Fremdbestimmtsein nach drei Jahren auf See.

Wenn Sie mit Ihrem heutigen Wissen und Ihren Erfahrungen die Zeit nochmals vor Reiseantritt zurückdrehen könnten, was würden Sie heute anders machen – auch in Bezug auf die Reise selbst?

Um eine Weltumsegelung richtig genießen zu können, scheinen uns sechs Jahre notwendig, daher würden wir eine längere Zeitspanne für eine solche Reise einplanen.

Außerdem würden wir versuchen, die Verwaltung unserer Obliegenheiten daheim verstärkt selbst zu organisieren – keinesfalls würden wir sie noch einmal in fremde Hände legen.

Hätten Sie sich nicht kennengelernt, würden Sie auch alleine eine solche Reise über diesen Zeitraum wagen?

Diese Frage ist schwer zu beantworten, grundsätzlich war das Schiff und die damit verbundene Reise stets ein gemeinsames Projekt. Die positiven und negativen Erlebnisse mit dem Partner zu teilen, war wesentlich – wir würden dies nicht missen wollen.

Haben Sie eine nächste größere gemeinsame Reise geplant?

Ein nächstes großes Segelprojekt steht mit Wolfgangs endgültigem Berufsausstieg in Planung – Evi ist neun Jahre jünger. Nach Kauf eines neuen Katamarans könnten wir uns vorstellen, längere Zeit in der westlichen Karibik zu verbringen.

Wenn sich nun auch unter meinen Lesern jemand dazu entschließt, eine berufliche Auszeit zu nehmen – es muss ja nicht gleich eine Weltumsegelung sein – welche Tipps haben Sie für ihn bzw. für sie?

Ratschläge richten sich weitgehend nach den individuellen Voraussetzungen und Vorstellungen, die ja zum Glück unterschiedlicher nicht sein könnten. Daher ist es für uns fraglich, inwieweit es sinnvoll ist, generelle Tipps aufzulisten.

Frau Strahser, Herr Wirtl, herzlichen Dank für das Interview!


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Kommentare

  • Stefan Seibel

    Ein super Artikel!

    Ich befasse mich zurzeit mit dem Thema meiner Lebensvision für die nächsten 40 Jahre, da ich mit 50 bereits alles, was ich mir mit 20 Jahren vorgenommen hatte, erreicht habe und nun “einen neuen Leuchtturm” suche.

    Die Aussage “in welchem Luxus wir – unter Aufgabe unserer Freiheit – leben”, führt mich zu dem Schluss “weniger ist nicht mehr, sondern frei”!

    Ich bin gespannt, wohin mich meine Reise führt.

    Danke für die vielen Anregungen.

    • Burkhard Heidenberger | ZEITBLÜTEN

      Danke, Herr Seibel!

      “Einen neuen Leuchtturm suchen” – gefällt mir!

      Alles Gute für die “Reise”!