Wie Sie in Ihrem Kind die Freude am Lesen wecken
Die Ergebnisse der Pisa-Studien zeigen es immer wieder auf: Die Lesekompetenz der Kinder lässt stark zu wünschen übrig. Die Gründe hierfür sind unterschiedlicher Natur.
Ein Hauptgrund besteht sicherlich auch darin, dass in der heutigen Medienflut der Reiz des Buches untergeht. Kinder lesen immer weniger. Computerspiele, Internet, Fernsehen – all das übt in der Regel einen größeren Reiz als das Lesen aus.
Zuletzt aktualisiert: 23.11.2022
Die Magie der Bücher: Wenn Kinder in andere Welten
eintauchen und ihrer Fantasie freien Lauf lassen können …
Warum die Lesekompetenz wichtig ist
Und hier liegt auch die Gefahr. Denn die Lesekompetenz ist enorm wichtig für die Weiterentwicklung des Kindes, für das Wissen, das Lernen und generell für die Forcierung der (Denk-)Fähigkeiten. Wird die Freude am Lesen nicht zeitig vermittelt, bleibt die Lesekompetenz mit den daraus resultierenden Fähigkeiten auf der Strecke.
Wenn Sie hingegen dem Kind von klein auf die Freude am Lesen, die Begeisterung für Bücher vermitteln, halten diese in der Regel auch ein Leben lang an, auch wenn später andere Interessen und Medien in den Vordergrund treten.
Deshalb sind vor allem wir Eltern gefordert und später auch die Pädagogen. Denn die Freude am Lesen kommt nicht von alleine.
Vorlesen weckt die Freude an Büchern
Der wichtigste Tipp gleich vorweg:
Lesen Sie Ihrem Kind regelmäßig vor. Und zwar, bevor Ihr Kind selbst lesen kann.
Dieses Vorlesen wird dazu motivieren, dass es später selbst gerne zu Büchern greift, da es damit Positives assoziiert. Zudem ist das Vorlesen ein wunderbares gemeinsames Ritual, an das sich Ihr Kind auch im Erwachsenenalter gerne zurückerinnern wird.
Was das Vorlesen noch bewirkt:
- die Beziehung zu Ihrem Kind wird gestärkt
- wichtige Pausen werden geschaffen
- Ihr Kind kommt zur Ruhe und schenkt ihm Geborgenheit
- die Konzentration und Kreativität werden gefördert
- Wissen wird auf unterhaltsame Weise vermittelt
- Ihr Kind lernt neue Welten kennen und seine eigene Welt besser zu verstehen
- das spätere Lesenlernen wird erleichtert
- der Wortschatz wird vergrößert
- das Mitgefühl wird gesteigert
Wie Sie Ihrem Kind die Freude am Lesen vermitteln
Hierzu 12 Tipps:
1. Beginnen Sie zeitig
Der Spaß am Lesen sollte bereits im Vorlesealter geweckt werden, also schon bevor das Kind selbst lesen kann. Bilderbücher sind hierfür hervorragend geeignet. Oder Bilderbücher mit etwas Text, der von den Eltern gelesen wird.
Damit wird dem Kind das Bewusstsein und das Interesse für das Lesen geweckt.
2. Führen Sie Leserituale ein
Rituale sind für Kinder sehr wichtig. Sie bieten ihnen Orientierung und geben ihnen ein Gefühl von Sicherheit. Ein „Leseritual“ könnte beispielsweise die tägliche Gutenachtgeschichte sein.
Unser kleiner Sohn freut sich immer darauf. Einen Tag darf er ein Buch auswählen, den anderen Tag meine Frau oder ich, abhängig davon, wer den Vorleser gibt. Auch für uns Eltern ein wertvolles Ritual.
Neben den Vorzügen des Lesens vermittelt dieses Ritual auch Geborgenheit und Verbundenheit.
3. Füllen Sie das Haus mit Büchern
In einem Haus bzw. einer Wohnung ohne oder mit wenigen Büchern wird auch nicht großartig die Lust am Lesen aufkommen.
Deshalb sollten Sie dafür Sorge tragen, dass im direkten Umfeld des Kindes auch Bücher zur Verfügung stehen.
4. Platzieren Sie Bücher griffbereit
Aber eine Wohnung voller Bücher ist auch nicht sonderlich gewinnbringend für das Kind, wenn diese für ihn nicht erreichbar sind. Deshalb sollten die (Kinder-)Bücher auch in für das Kind greifbarer Nähe platziert werden.
Auch ein aufgeschlagenes Buch am Tisch kann zum Lesen und Schmökern animieren.
5. Richten Sie einen Leseplatz für Ihr Kind ein
Kinder schätzen einen Platz, an den sie sich zurückziehen können. So ein Rückzugsort kann auch als Leseplatz eingerichtet werden – und wenn es nur eine gemütliche Ecke im Kinderzimmer ist, Hauptsache das Kind fühlt sich dort wohl.
6. Seien Sie ein „Lese-Vorbild“
Kinder orientieren sich immer an Vorbildern. Und die erste Vorbildrolle im Leben des Kindes übernehmen die Eltern.
Wenn die Eltern nicht zum Buch greifen, wird sich dem Kind auch kaum der Reiz der Bücher erschließen.
Wenn hingegen Kinder ihre Eltern gelegentlich in einem Buch vertieft sehen, übt das auch eine Vorbildwirkung auf das Kind aus.
7. Sprechen Sie über Bücher
Viele Eltern finden heute selbst kaum die gewünschte Zeit, um sich einem Buch in Ruhe zu widmen. Neben einem fordernden Beruf stehen weitere tägliche Verpflichtungen an, die wenig Zeit zum Lesen eines Buches erlauben.
Sie können dem Kind auch in Gesprächen die Vorzüge des Lesens und dadurch die Lust am Lesen vermitteln. Aber es sollte nie in einen Zwang ausarten.
Wie ein guter Verkäufer einem potenziellen Kunden sein Produkt schmackhaft redet, gilt es auch als Elternteil, dem Kind das Lesen als attraktiv zu „verkaufen“.
8. Auf die Inhalte kommt es an
Je eher der Inhalt eines Buches den Interessen des Kindes entspricht, desto leichter fällt es, die Begeisterung für das Lesen zu wecken und aufrecht zu erhalten.
Deshalb sollten Sie Ihrem Kind auch selbst die Bücherwahl überlassen.
Natürlich muss der Inhalt auch dem Alter des Kindes entsprechen.
9. Der „Bücherhimmel“
Als unser Sohn noch ein Kind war, besuchte ich regelmäßig mit ihm die Hauptbibliothek hier in Wien – ein Paradies für alle Leseratten. Eine Riesenauswahl an Kinderbüchern. Da bekam er stets große Augen, auch weil es sich so herrlich schmökern lässt. Man will ja nicht jede Woche ein neues Kinderbuch kaufen, das dann nach einiger Zeit nicht mehr gelesen wird, weil Kinder auch aus Büchern „herauswachsen“.
Eine gut ausgestattete Bibliothek in der unmittelbaren Umgebung bildet hier eine ausgezeichnete Möglichkeit, den Bedarf an Büchern zu decken.
Die Abwechslung beim Lesestoff erhält auch den Lesereiz aufrecht.
10. Damit das Vorlesen nicht langweilig wird
Aber auch das Vorlesen selbst können Sie unterhaltsam gestalten, um dem Kind den Wert eines Buches bzw. des Lesens in ein positives Licht zu rücken. Monotonie beim Lesen dämpft die Spannung und das Interesse auf den Inhalt.
Mit unterschiedlicher Lautstärke beim Lesen können Sie dem Kind Stimmungen vermitteln – so wird beispielsweise durch allmähliches Lauterwerden Spannung erzeugt. Aber nicht nur die Lautstärke gilt es zu variieren, auch die Stimme selbst. Diese kann beispielsweise den in der Geschichte vorkommenden Figuren entsprechend angepasst werden.
Je mehr Gestik, Mimik, Lautstärke und unterschiedliche Stimmen beim Vorlesen mit einfließen, desto lebendiger wird für das Kind das Buch und umso prägender der positive Eindruck auf das Lesen.
11. „Diskutieren“ Sie über den Inhalt mit Ihrem Kind
Nach dem Vorlesen sollte mit dem Kind auch über den Inhalt der Geschichte bzw. des Buches gesprochen und diskutiert werden. Fragen stellen, z. B.:
Was hat dir an der Geschichte am besten gefallen? Was weniger? Hättest du auch so gehandelt, wie der kleine Max in der Geschichte? Was glaubst du, warum …
Jedes Buch bietet eine Unmenge an Fragen, die dem Kind gestellt werden können. Damit setzt sich das Kind weit aus intensiver mit dem Inhalt auseinander.
12. Loben Sie für das Lesen
Kinder lechzen nach Anerkennung. Und Anerkennung sollte ihm auch zuteil werden, wenn es zum Buch greift. Auch damit können Sie dem Kind den Reiz am Lesen vermitteln.
Begeistern Sie Ihr Kind für das Lesen! Machen Sie ihm Lust auf Bücher! Es wird Ihrem Kind nachhaltig eine Bereicherung und von Vorteil sein.
Mein persönliches Lieblingsritual mit Ablaufdatum
Ich hatte mit unserem Sohn auch ein tägliches Leseritual, das mir auch zur Vermittlung von Werten diente:
» Mein Lieblingsritual mit Ablaufdatum
Mittlerweile ist unser Sohn aus diesem Alter raus, das in diesem Beitrag beschriebene Ablaufdatum ist also überschritten. Aber ich denke, dass dieses Ritual doch wesentlich zu seiner positiven Einstellung zum Leben beigetragen hat.
Lesefreude wecken … eingesandte Zeitblüten
Passend zum Thema drei von Lesern eingesandte ZEITBLÜTEN.
Zeitblüten sind Momente und Erlebnisse, die sich vom Alltag abheben, unser Leben wunderbar bereichern und uns einfach guttun – persönliche Momente der Entspannung, des Wohlfühlens, des Krafttankens und des „Abschalten-Könnens“.
Zeitblüte 1
Wenn du erst mal
selber lesen kannst …
Meine Mutter hat mir auch immer vorgelesen und dann oft – weil sie müde wurde oder absichtlich :-D – an teils doch recht spannenden Stellen aufgehört und gesagt, dass sie morgen weiterliest.
Sie meinte auch oft: „Wenn du erst mal selber lesen kannst, dann kannst du länger lesen.“
Ich war dann immer enttäuscht, fuchsig oder wie man das am besten beschreiben könnte.
Und so brachte sie mich quasi von selbst darauf, dass ich unbedingt lesen lernen wollte.
War ein voller Erfolg. Noch heute lese ich gern, ab und an auch vor.
Peter Lüders
Zeitblüte 2
Geborgenheit und Nähe
übertönen negative Erlebnisse
Meine Zeitblüte ist meine 6-jährige Tochter! Jeden Abend nehmen wir uns bewusst Zeit, um zu kuscheln und Quatsch zu machen.
Während sie mir aus ihrem Kinderbuch vorliest oder von ihren Erlebnissen in der Schule berichtet, fällt der Stress des Tages einfach von mir ab. Ich genieße diese intensive Zeit mit meinem Sonnenschein.
Geborgenheit und Nähe übertönen dann negative Erlebnisse des Tages und läuten einen entspannten Abend ein.
Elisabeth
Zeitblüte 3
Eine intensive Zeit
Mein Alltag kann zeitweise ganz schön stressig sein. Ein Vollzeitjob, ein 3-jähriger Sohn und der Haushalt fordern mich oft.
Nach einem besonders stressigen Tag kann ich am besten abschalten, wenn ich meinem Sohn eine Geschichte vorlese.
Voller Begeisterung lese ich ihm dann eine unserer zahlreichen Lieblingsgeschichten vor – mit unterschiedlichen Stimmen und vollem Einsatz.
Ich genieße diese intensive Zeit mit meinem Sohn und erlebe dabei einen regelrechten Flow.
Das sind die Momente, in denen ich alles andere vergessen und mal so richtig abschalten kann.
Angela
Linktipp:
Einfach vorlesen!
Vorlesen und Lesen fördert bei Kindern die Konzentrationsfähigkeit, Kreativität sowie die Sprach- und Leseentwicklung. Auf der Webseite „Einfach vorlesen“ können Vorlesegeschichten kostenlos heruntergeladen und ausgedruckt werden.
Die Geschichten eignen sich für Kinder ab 3, 5 und 7 Jahren. „Einfach vorlesen“ ist ein Gemeinschaftsprojekt der Stiftung Lesen und der Deutsche Bahn Stiftung gGmbH.
Hier klicken für weiterführende spannende Impulse & Tipps auf Zeitblüten:
Lesen ist meine grösste Leidenschaft … und dabei waren wir nach Kriegsende und weitab vom Dorf wohnend nie so verwöhnt an Zugang zu Büchern wie das heute ist.
Wie kamen ich und meine Geschwister trotzdem zu dieser grossen Liebe? Schon kaum auf der Welt spielten Vater und Mutter mit uns, und in einem Sing-Sang Verse sprechend, bewegten sie unsere Händchen und Füsschen – wiegten uns und sangen uns kleine Lieder vor.
Später erzählten sie uns Geschichten über die Zeit, als sie noch Kinder waren. Vater schenkte Mutter zu Weihnachten immer Bücher, sie erzählte uns aus ihnen – Vater war selber sehr belesen und seine Geschichten waren immer ganz besonders. Zu Weihnachten schenkten die Tanten uns dieses und jenes Kinderbuch, Schätze die wir hüteten. Die älteren Brüder lasen mir dann vor – ich war von Beginn an fasziniert von den Formen der Buchstaben der Worte, welche da die Bilder beschrieben.
Einen Kindergarten kannten wir nicht. Wir gingen gleich in die erste Klasse der Volksschule.
Nach den ersten Übungen Buchstaben zu schreiben, erkannte ich plötzlich die Zusammenhänge – dass die Buchstabenfiguren sich zu Lauten formten – aus den Buchstabengruppen Worte wurden.
Ich weiss noch wie ich unterwegs auf dem Schulweg das Schild „Konsumverein Steffsiburg-Thun und Umgebung“ entziffern konnte und damit, es immer vor mich hin brabbelnd, heimkam – natürlich betonte ich alles falsch und verstanden habe ich gar nichts.
Aber mir ist geblieben, wie sich Vater darüber freute und mir dann beim nächsten Besuch im Laden erklärte. Ab da war ich nicht mehr zu bremsen und Vater musste sich etwas ausdenken. Noch heute muss ich unterwegs alles lesen.
Vater betrieb eine Benzintankstelle an der Landstrasse fern vom Dorf, und für seine Kundschaft hatte er Strassenkarten.
Diese waren mit kleinen Bildern geschmückt, wo sich Sehenswürdigkeiten befanden. Er schenkte mir eine dieser Karten. Dazu holte er das KNAURS-Lexikon hervor und nun gingen wir am Sonntagnachmittag auf imaginäre Reisen, da ging ich ins erste Schuljahr.
Die ersten „Fahrten“ waren kurz – bis in die nächste Stadt. Schon diese auf der Karte zu finden, war nicht ganz einfach. Vater war viel herumgekommen und kannte die Strecken auswendig. Dann liess er mich im Lexikon die Orte suchen und ich las ihm vor, was da über diese stand. Meistens wusste er noch mehr dazu und erzählte. Er hatte eine unglaubliche Geduld.
Dann las ich ihm aus der Zeitung vor, zuerst kleine Artikel aus der Umgebung und er versuchte zu erklären, so dass ich verstand um was es geht.
Vater hat mir damit wunderbare Eigenschaften fürs Lesen mitgegeben.
Ich lernte das ABC richtig nutzen, um mir Informationen im Lexikon zu suchen, eine Fähigkeit später Wörterbücher rasch zu Eigen zu machen. Er brachte mir spielerisch bei vernetzt zu denken, Fakten miteinander zu verbinden und neues Wissen aufzubauen.
Ich lernte unser Land kennen und später das nahe Ausland, ohne dort gewesen zu sein. Er brachte mir schon in der Primarschule geschichtliche und politische Zusammenhänge bei.
Oft ging er mit uns in die nahen Berge wandern, wir lernten Steinproben erkennen und Pflanzen. Diese suchte ich dann im Lexikon, legte mir ein Herbarium an und beschrieb das Gefundene noch bevor das in der Schule zum Thema wurde.
Lesenkönnen, ist viel, viel mehr als ein Buch von Anfang bis zum Ende zu lesen – es ist das ganze Leben – immer wieder. Es geht nicht um Pisa-Studien und um Noten .. es geht um viel mehr … um die Neugier und auf Reisen zu gehen mit den Geschichten – um die Freude zu entdecken – immer wieder neu!
Vielen Dank für Ihren interessanten Erfahrungsbericht, Frau Haller! Auch Ihre Erfahrung zeigt schön, welch wichtigen Einfluss die Eltern auf die Lesefreude und -kompetenz der Kinder haben.