Der Geheimcode im Arbeitszeugnis
Wenn Sie ein Arbeitszeugnis erhalten haben und Ihnen erscheint Ihre Bewertung darin sehr positiv, muss dies aber noch lange nicht der Fall sein.
Sie sollten wissen, dass der Arbeitgeber das Arbeitszeugnis wohlwollend und wahrheitsgemäß formulieren muss. Das schreibt die Gewerbeordnung vor.
Nun gibt es durchaus Fälle, in denen eine wohlwollende Formulierung nicht angebracht ist. Deshalb ist so eine Art „Geheimcode“ entstanden, den Arbeitgeber für ihre Formulierungen im Arbeitszeugnis verwenden.
Nehmen Sie die Formulierungen in Ihrem Arbeitszeugnis genau unter die Lupe!
Nur vermeintlich wohlwollend!
Das heißt, es gibt bestimmte wohlwollende Formulierungen, die aber auf negative Eigenschaften des Arbeitnehmers schließen lassen. Und genau diese wahre Bedeutung von vermeintlich wohlwollenden Formulierungen ist in der Regel den Personalverantwortlichen in Unternehmen bewusst/bekannt.
Auch eine unbewusste negative Bewertung ist möglich
Nun kann es passieren, dass Ihr Ex-Chef Ihnen in bester Absicht ein gutes Arbeitszeugnis ausstellt. Da er aber mit dem „Geheimcode“ nicht vertraut ist, schleichen sich negative Bewertungen im Zeugnis ein, die weder Ihnen noch Ihrem Ex-Chef bewusst sind.
Dann kann das für Sie unangenehme Folgen haben, wenn Sie sich mit dem Arbeitszeugnis in einem neuen Unternehmen bewerben.
Die Entschlüsselung des Geheimcodes
Ein gutes Arbeitszeugnis kann sehr förderlich für eine erfolgreiche Karriere sein. Genauso wie ein schlechtes Arbeitszeugnis ein großer Bremser sein kann.
Nehmen wir an, Sie haben ein Arbeitszeugnis ausgestellt bekommen, weil Sie das Unternehmen verlassen. Sie halten Ihr Arbeitszeugnis in der Hand und wollen nun wissen, was die Formulierungen tatsächlich über Sie aussagen.
Werfen Sie mal einen Blick auf Ihr Arbeitszeugnis und prüfen Sie folgende Punkte:
- Zuerst sollten immer die wichtigen Aufgaben genannt werden und wie Sie diese durchgeführt haben. Wenn zuerst über Ihr Verhältnis zu Mitarbeitern oder der Umgang mit Kunden geschrieben wird, ist das schon mal kritisch zu betrachten.
- Im Schlusssatz eines guten bzw. sehr guten Arbeitszeugnisses ist immer das Bedauern des Arbeitgebers ersichtlich, ebenso der Dank für die geleistete Arbeit sowie gute Wünsche für die Zukunft. Fehlen solche Formulierungen komplett, lässt das auf ein schlechtes Verhältnis des Arbeitnehmers mit seinem früheren Arbeitgeber schließen.
- Finden sich in Ihrem Arbeitszeugnis im Zusammenhang mit Ihrer positiven Leistung Formulierungen wie „außerordentlich“, „besonders“ oder „stets“, so haben Sie sicher ein gutes Arbeitszeugnis in der Hand.
- Weniger gut sind passive Formulierungen wie „zu seinen Pflichten gehörte” oder „wurde eingesetzt“ und Ähnliches. Ganz schlecht sind: „war stets bemüht“, „er versuchte“ etc. Was ich auch einmal in einem Arbeitszeugnis gelesen habe und mich zum Schmunzeln brachte: „… pflegte einen humorvollen Umgang mit seinen Vorgesetzten.“ Eine Formulierung, die viel Interpretationsspielraum bietet, aber wohl eher negativ zu werten ist.
- Weitere Floskeln und ihre Bedeutungen:„… entsprachen den Anforderungen“: negativ
„… war im Allgemeinen zufriedenstellend“: negativ
„… stets zu unserer vollsten Zufriedenheit“: sehr gut
„… zu unserer Zufriedenheit“: ganz ok, aber auch nicht mehr
„… hat den Anforderungen weitgehend entsprochen“: sehr schlecht
In einigen Publikationen wird empfohlen, dass Sie Ihr Arbeitszeugnis mit folgendem Schlusssatz ergänzen lassen sollen, damit es nicht falsch interpretiert wird:
„Dieses Zeugnis enthält keine verschlüsselten Formulierungen. Eine Interpretation im Sinne einer “Zeugnissprache” würde die Aussage dieses Zeugnisses nicht im Sinne der Verfasser wiedergeben.“
Von so einem Schlusssatz halte ich aber nicht viel. Denn wenn Sie mir als Bewerber ein Arbeitszeugnis mit einem solchen Schlusssatz vorlegen, gehe ich davon aus, dass Ihr Ex-Arbeitgeber Ihnen bewusst ein negatives Zeugnis ausgestellt hat und dass Sie deshalb darauf bestanden haben, diesen Satz zu ergänzen. Also hier wäre ich eher vorsichtig.
Was tun, wenn der „Geheimcode“ nichts Gutes über Sie aussagt?
Ein Arbeitszeugnis muss mindestens „befriedigend“ ausfallen. Ist das nicht der Fall, haben Sie die Möglichkeit, Ihrem Vorgesetzten einen Gegenvorschlag zu formulieren. Wenn Ihr Arbeitgeber damit nicht einverstanden ist und auf die schlechtere (schlechter als befriedigend) Bewertung besteht, liegt die Beweispflicht bei Ihrem Arbeitgeber.
Wenn Sie hingegen auf ein „gutes“ oder „sehr gutes“ Arbeitszeugnis bestehen, liegt die Beweislast bei Ihnen als ArbeitnehmerIn.
Das bedeutet, Sie müssen durch Dokumentationen, Qualifikationen etc. beweisen, dass die abgegebene Bewertung im Arbeitszeugnis so nicht zutrifft.
Beispiele für ein gutes, befriedigendes, ausreichendes & mangelhaftes Arbeitszeugnis
Der „Internetratgeber Recht“ zeigt anschauliche Beispiele für verschiedene Zeugnisbeurteilungen:
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Bewertet man zuerst das Verhalten gegenüber Kunden im Verhaltensteil des Zeugnisses, ist das per se nicht negativ zu sehen. Vielmehr steht dies für ein sehr kundenorientiertes Verhalten.
Nennt man aber die Kollegen im Verhaltensteil vor den Vorgesetzten, so widerspricht das der üblichen hierarchischen Nennung, was auf ein negatives Verhältnis gegenüber den Vorgesetzten schließen lässt.
Dank und Bedauern in Abschlusszeugnissen sind freiwillige Angaben des Arbeitgebers, durch der diese seine wohlwollende Bewertung und ein einvernehmliches Ausscheiden unterstreicht.
Über das ganze Formulierungswirrwarr und mögliche Geheimcodes in Arbeitszeugnissen sollte man nicht vergessen, dass die Aufgaben- bzw. Tätigkeitsbeschreibung ebenso einen wichtigen Teil des Zeugnisses ausmacht. Denn nur darüber kann der potentielle neue Arbeitgeber herausfinden, ob der Bewerber grundsätzlich auf die zu besetzende Stelle passt und ob er die nötigen Kompetenzen mitbringt.
Dieser Teil des Arbeitszeugnisses gewinnt umso mehr an Bedeutung, da es sich inzwischen bei den meisten Zeugnissen um “gute” Arbeitszeugnisse handelt und sie sich in dieser Hinsicht kaum noch unterscheiden.