Was ist eine gute Beziehung? Die Bank unter den Eichen …
Die folgende Geschichte vermittelt anschaulich am Bild zweier Eichen, wie eine gute Beziehung gelingen kann. Es ist auch eine berührende Geschichte, die häufig auf Hochzeiten vorgetragen und dem Brautpaar auf den gemeinsamen Lebensweg mitgegeben wird:
Eine gute Beziehung gleicht zwei Bäumen, die im richtigen Abstand nebeneinander wachsen dürfen.
Anna und Walter sitzen auf ihrer Lieblingsbank unter den Eichen. »Weißt du noch, wie damals alles begonnen hat?«, fragt die Frau verträumt.
Lächelnd nickt der alte Mann und gibt ihr einen innigen Kuss. Beide erinnern sich: Sie hatten sich auf dem Jahrmarkt kennengelernt und wussten sofort, dass ihre beiden Herzen zusammengehörten.
Die Verliebten schlenderten damals über den Marktplatz und steuerten auf eine Menschenansammlung am Rande des Dorfes zu. Dort wurde ein Wettbewerb veranstaltet. Auf einer Bank stand der Besitzer der dortigen Wiese mit zwei Eicheln in seinen Händen. Er erregte großes Aufsehen mit seinem lauten Geschrei:
»Kommt alle her und seht! Das sind Liebeseicheln! Wer traut es sich zu, ein Denkmal für die nächsten Generationen zu setzen? Auf dieser Bank sollen einmal Liebespaare sitzen und es behaglich haben. Damit hier ein lauschiges Plätzchen entstehen kann, sollen zwei mächtige Eichen den nötigen Schatten spenden.
Wer von euch findet den richtigen Abstand, den diese Eichen brauchen, um gemeinsam wachsen und zusammen alt werden zu können? Unser Dorfgärtner ist der Schiedsrichter und entscheidet, wer die Aufgabe am besten gelöst hat.«
Nacheinander traten etliche Pärchen vor und legten die Eicheln nach ihren Vorstellungen auf die Erde nieder. Die Entfernungen der verschiedenen Vorschläge reichten von fünfzig Zentimetern bis zu drei Metern.
Anna und Walter waren die Letzten, die ihren Tipp abgaben. Als sie jedoch die zwei Eicheln in einem Abstand von sieben Metern auf die Erde legten, wurden sie von den Zuschauern nur lauthals ausgelacht!
Der alte Gärtner hingegen nickte erfreut und grub die zwei Liebeseicheln genau dort ein, wo die beiden diese hingelegt hatten. Lächelnd sagte er:
»Mit dieser Entfernung können sich die Eichen gut entwickeln. Jeder bleibt für sich ein eigenständiger Baum und keiner nimmt dem anderen die Sonne und die Luft zum Atmen. Auch die Wurzeln behindern einander nicht. Dennoch werden die Bäume eine Gemeinschaft bilden, denn wenn der Wind über sie hinwegweht, dann können sich ihre Äste sanft berühren.«
So begann es damals, vor über fünfzig Jahren. Händchenhaltend und in Gedanken versunken sitzen Anna und Walter unter den beiden mächtigen Eichen, deren Äste sich in luftiger Höhe begegnen, und horchen auf das Rascheln der Blätter.
Nach einer Hochzeitsrede
© Gisela Rieger
Veröffentlichung mit freundlicher Genehmigung von Gisela. Die Geschichte stammt aus ihrem Buch „Geschichten, die dein Herz berühren“, in dem zahlreiche weitere Geschichten geeignet für das Vortragen auf Hochzeiten enthalten sind:
Beziehung: 5 Erfahrungsberichte
Passend zur obigen Geschichte 5 von Lesern eingesendete Erfahrungsberichte:
Zeitblüte 1
Absichtslose Berührungen
Mein Mann und ich massieren uns gegenseitig seit etwa einem Jahr einmal pro Woche. Wir haben dafür einen fixen Termin im Kalender.
Die Massage ist absichtslos und nach einiger Übung sowohl für den Gebenden als auch für den Empfangenden sehr genussvoll und entspannend.
Als Kind erfährt der Mensch so viel Berührung, im Alter wird diese immer weniger.
Wir beide merken, wie gut uns diese liebevolle, entspannende Berührung tut und wie sie uns einander näherbringt.
Nora
Zeitblüte 2
Ein gemeinsamer
Nachmittag in der Woche
Da ich mit meiner Frau zusammen ein Unternehmen führe, kenne ich das Problem: zu wenig Zeit für mich und meine Familie.
Nach dem Lesen der anderen Zeitblüten und Tipps habe ich mich dazu durchgerungen, etwas zu verändern:
Meine Frau und ich nehmen uns seit einiger Zeit einen Nachmittag in der Woche bewusst frei, um zusammen etwas zu unternehmen oder Sport zu treiben – und siehe da, es lässt sich einrichten!
Früher war ich der Meinung, das klappt nicht, da ich unbedingt gebraucht werde. Nein, ich wurde eines Besseren belehrt und es geht uns dabei richtig gut. Es ist einfach klasse!
Roy
Zeitblüte 3
Unser Herzensgespräch
Mein Freund und ich kennen uns nun schon einige Jahre. Wir arbeiten auch zeitweise zusammen und gehen wöchentlich zum brasilianischen Paartanz.
Aber zum Herzensgespräch in einer friedvollen und ruhigen Atmosphäre kommen wir erst, wenn wir uns dafür entscheiden und eine Zeit verabreden.
Wir setzen uns bewusst gegenüber auf das Sofa und entscheiden gemeinsam, wer den Anfang macht.
Wir stellen die Uhr und jeder hat 10 Minuten Zeit, um sich alles von der Seele zu reden, ohne vom anderen unterbrochen zu werden.
Dazu benutzen wir einen Redestab, den ich selber gebastelt habe. Das kann ein schön verzierter Ast, ein Handschmeichler oder ein anderes Symbol sein, das einen persönlichen Wert hat und das gut gehalten werden kann.
Vorher haben wir für eine ungestörte Atmosphäre gesorgt, haben unsere Handys ausgeschaltet und versuchen, bei uns selbst zu bleiben – also nicht in eine negative „Du-Botschaft“ abzudriften, sobald ein Thema aufkommt, bei dem der andere eine wichtige Rolle spielt.
Dann – ohne Kommentar – wird der Redestab an den anderen weitergegeben, der wiederum seine 10 Minuten auskostet.
Danach besprechen wir, was noch gesagt werden darf, um das Herzensgespräch abzurunden. Diesmal ohne die 10-Minuten-Regel, sondern in einer offenen Konversation mit Übergabe des Redestabs, sobald einer das Wort ergreift.
Danach bedanken wir uns jeweils beim anderen und gehen wieder unseren Aufgaben nach.
Diese Herzensgespräche tun uns unheimlich gut und bereichern unsere Beziehung.
Anja
Zeitblüte 4
Unsere zweitbeste
Entscheidung im Leben
„Ich tanze mit Dir in den Himmel hinein …“ – dieser Schlager geht mir seit acht Monaten nicht mehr aus dem Kopf. Meine geliebte Frau und ich haben nach zwanzig Jahren und drei Kindern den zweitbesten gemeinsamen Entschluss gefasst.
Der erstbeste war damals zu heiraten und jetzt haben wir auf unsere alten Tage beschlossen, noch tanzen zu lernen.
Am Anfang war die Sache etwas stressig, bis wir unsere untrainierten Knochen in die richtigen Bahnen gebracht hatten, doch letztendlich hat sich die Anstrengung gelohnt.
Nicht nur, dass wir uns emotional noch nähergekommen sind, sondern auch unsere Fitness hat sich erheblich verbessert.
Jede Woche freuen wir uns wie die kleinen Kinder auf den nächsten Kursabend.
Peter
Zeitblüte 5
Geschenkte Stunden
Mein Mann ist 80 Jahre alt und seit einer Woche zurück aus der Klinik – gerade kurz vor unserem 44. Hochzeitstag. Wir dürfen noch einmal eine Zeitspanne zu zweit unterwegs sein.
Wie lange? Das können wir nicht wissen.
Wir können nur den einzelnen Stunden Freude abgewinnen und aus den Tagen wertvolle Bilder der Erinnerung sammeln.
Seit vor acht Jahren die Krankheit ausgebrochen ist, musste er dreimal als Notfall eingeliefert werden – immer in der Nacht.
Jedes Mal kehre ich alleine heim und unsere kleine Wohnung ist plötzlich so groß. Das Licht scheint trüb und es ist unheimlich kalt, auch wenn die Räume warm sind – ein Hauch von einer Zukunft des Nicht-mehr-teilen-Könnens.
Etwas hilft mir, diese Grenzerlebnisse und die Erfahrung des Loslassens besser zu verkraften:
Seit Jahren schließen wir die Tage mit einem Still-für-uns-Sein und danken für das gemeinsam Erlebte. Der Morgen ist neu, zwar mit den alten Sorgen – er hat jedoch immer die Chance, ein ganz besonderer Tag zu werden. Einer mit kleinen gemeinsamen Zeitblüten.
Susanna Haller